“Räuber, Räuber”, keuchend kommt der bestohlene Händler zum Stehen und blickt den Flüchtigen hinterher. Zu seinem Glück gelingt es der Stadtwache und einigen Berufenen, die Übeltäter fest zu nehmen und flugs wird eine Gerichtsverhandlung einberufen.
“Wer Ich? Ich bin weggelaufen, weil mich der da angegriffen hat” sagts der erste Räuber und zeigt auf den Händler. “Aussage gegen Aussage, wir sind zu dritt, das dort ist der Täter”, sagt der Zweite und grinst.
“Welche Beweise habt ihr denn, welche Zeugen könnt ihr nennen”, sagt der Dritte. Der Händler wirkt überfordert und blickt hilfesuchend zum Richter. Auch wenn dieser eine Rolle spielt, ist er doch in einem modernen Rechtsstaat aufgewachsen und erkennt, Aussage gegen Aussage, ohne Beweise. Das Ganze endet in einem Freispruch. Unbefriedigend für den Händler und jeden Zuschauer.
Um in Tollgund das Spielpotential zu erhöhen und nicht Dinge einzufordern, die eh nicht möglich sind, werfen wir das moderne Rechtssystem über Bord.
Erstes Prinzip: vor dem Richter sind die Menschen nicht gleich.
Der gemachte Händler, der ehrbare Handwerker, der Gildenmeister zählt mehr, als der Knecht oder die Magd oder jedes andere Gesindel.
Kommt es Aussage gegen Aussage, spielt es keine Rolle, wie viele Zeugen der Täter auffahren kann – oder wie glaubhaft seine Aussage ist. Wenn ein ehrbarer Bürger sagt, der Räuber hat das oder jenes getan, dann hat er es vor Gesetzt getan.
Zweites Prinzip: Beweise spielen kaum eine Rolle.
Wir befinden uns in einer fantastischen Welt, ohne Forensik. So lassen sich Fingerabdrücke, DNA Spuren und Blutproben nicht erheben, nicht darstellen und nicht auswerten. In der heutigen Welt sind wir es gewohnt, dass zu jedem Urteil auch passende Beweise gehören – in Tollgund spielen diese praktisch keine Rolle. Der Kläger muss die Anklage nicht beweisen, es zählt einzig die Glaubhaftigkeit seiner Aussage.
Natürlich wird es Fälle geben, in denen ein unterschriebener Vertrag, ein Testament, ein schriftliches Geständnis eine Rolle spielen, aber das wird eher die Ausnahme sein.
Drittes Prinzip: Bei Gerichtsverhandlungen kommt es nicht auf Gerechtigkeit an, sondern auf Spielpotential.
In einer Welt, in der Übeltäter praktisch Narrenfreiheit haben, sich alles erlauben können und mit keinen Konsequenzen rechnen müssen, wird das Spiel für diese langweilig. Es gibt keinen Nervenkitzel des Erwischt-werdens. Auch für die Opfer ist so eine Welt demotivierend.
Auf der anderen Seite müssen die Strafen so gestaltet sein, dass dadurch neue Spielmöglichkeiten erschaffen, neue Plots möglich werden.
Viertes Prinzip: Strafen beschränken nicht das Spiel, sondern erweitern es.
Eine Strafe wie “Hängt den Halunken”, “nehmt ihm seine rechte Hand”, “Blended ihn” und ähnliches, wird es nur geben, wenn ein Plot danach verlangt – sonst aber nicht. Der normale Teilnehmer erfährt die Strafen, die sein Spiel bereichern. So kommt er vielleicht in ein Gefängnis, aus dem er sich befreien muss (ggf. mit der Hilfe von bestechlichen Wächtern). Vielleicht kommt er für kurze Zeit in eine Schuldknechtschaft und muss Aufträge erledigen, um wieder frei zu sein. Selbst die schlimmst-mögliche Strafe – Verbannung für eine Nacht in den Wald – erweitert das Spiel und die Erlebnisse des Teilnehmers.
*Auch wenn wir, dem Lesefluss zuliebe, nur ein Geschlecht (m/w) nennen, so sprechen wir selbstverständlich alle Geschlechter (m/w/d) an. Egal welchem Geschlecht du dich zugehörig fühlst, du bist angesprochen und bei uns willkommen.😊🌈