„Psscht, leise, leise....“, flüsterte der kleine Junge zu seiner großen Schwester. Sie kauerten hinter einem dicken Baumstamm. Die Laterne unter ihrem Mantel war heiß und verbrannte fast ihre Fingerkuppen, aber davon spürte sie nichts. Die Angst war viel größer und übermannte alles. Sie winselte unkontrolliert leise. Viele verschiedene Geschichten gingen dem Mädchen durch den Kopf – über den Klauen und seine Taten. Und seiner Vorliebe für tote Kinder. Wie würde es sich anfühlen, lange raue Finger in seinem eigenen Kopf zu spüren? Dieser Gedanke ließen ihr Tränen über die blassen Wangen laufen. Ihr Bruder zitterte ebenfalls. Sie haben sich von den kleinen Ellingen verführen lassen. Sie erzählen die besten Geschichten und sind lustige kleine Wesen. Doch hatten sie heute die Zeit außer acht gelassen und es wurde spät... und mit der Dämmerung, kam die Dunkelheit.
Und mit der Dunkelheit kam .... er. Hätte sie doch auf die Geschichten ihrer Großmutter gehört. Dem kleinen Jungen aus ihrer Nachbarschaft hatte die Neugier auch teuer zu stehen kommen. Er hockte mit den beiden Geschwistern auf dem Boden und versuchte so unauffällig zu sein, wie es nur ging. Sie hatten ihn hier getroffen und gemeinsam den Ellingen gelauscht. Eine unförmige Silhouette, die vom Mond beschienen, noch viel unheimlicher wirkte. Seine Stimme zerrte an der Angst der Kinder. „Nehmt niemals etwas zum Essen von ihm an!“, hallte die hohe Stimme des Ellings durch ihren Kopf.
Sie konnten nichts mehr sehen, es war finster. Dafür funktionierte ihr Gehör besser und ein Seufzen schien so laut, wie ein Schrei. Der kleine Nachbarsjunge flüsterte: “Seine erste Puppe soll der Sohn des Königs gewesen sein. Nachdem der an einer Krankheit starb und der König untröstlich war... Er liebte es sein Narr zu sein und wollte ihn noch einmal Lachen hören. Er war bekannt für seine lebensechten lustigen Ellingpuppen. Meine Großmutter sagt, dieses Monster hat ihr vor Jahren eines ihrer Kinder gestohlen.“ „Psscht....“, machte das Mädchen. Sein Lachen kam näher. Er sprach ununterbrochen mit sich selber... oder? Das half den Kindern immerhin, einzuschätzen, wo er sich gerade befand. „Sie haben ihn aufgehangen.... Das ganze Dorf hat gejubelt und ihn beschimpft, als er an seiner Kehle baumelnd erstickt ist. Das war für ihn das schlimmste. Wenn man ihn beschimpfte“, flüsterte der Junge weiter.
„Und wieso lebt er bitte noch??“, drückte der kleine Bruder seine angsterfüllte Frage so leise wie möglich raus. „Angeblich ist ihm in dem Kerker, wo er gefoltert wurde, der Falschtod begegnet.“ Das Mädchen schielte um den dicken Baumstamm und winkte den Jungs zu, weiterzuschleichen. Sie krochen drei dicke Bäume weiter. Der Klauen sprach weiter mit sich selber, weswegen er die Stöcke nicht knacken hörte.
„Das heißt, der Klauen hat sich deine Tante oder deinen Onkel geschnappt?“, fragte ihr kleiner Bruder den Jungen. „Ja... mein Großvater kam darüber nicht hinweg und ging in den Wald, um ihn zu töten. Er kam nur nie wieder aus dem Wald zurück.“ „Seid leiser!“ Energisch und mit weiten Augen, brachte das Mädchen die Jungs zum Schweigen. Die Schritte waren unheimlich nah gekommen, aber das Gerede war plötzlich verstummt. Das Mädchen zog ihren kleinen Bruder so fest es ging an sich und drückte ihm die Hand auf den Mund. Sie starrte auf den Nachbarsjungen, als ihr eine Frage durch den Kopf schoss. Woher wusste er das alles? Sie schob ein winziges Stück Stoff von der Laterne und erstarrte, als das bisschen Licht auf seine von Maden zerfressene Wange fiel.
Der kleine Nachbarsjunge saß im Schneidersitz da und drehte an einer Spieluhr, die laut ihre Melodie im Wald verbreitete. Er schaute die Geschwister an, “Die Melodie ist sein größtes Glück.“
Mescha S.
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Sonja Heinz (Samstag, 21 August 2021 16:08)
Obergeuselig!!!
Es läuft mir eiskalt den Rücken herunter.
Und ich erinnere mich an noch mehr Geschichten über ihn; alte Geschichten aus meiner Familie, erzählt hinter vorgehaltener Hand.