Was wir sehen

Geschrieben und gesprochen von Simona Weiland

Was wir sehenDeine Nähe, so vertraut. Dein Antlitz so wunderschön. Deine Augen tief mit meinen verbunden.Die Zeit nicht beachtend, schlendern wir durch den Wald, gar betrunken mögen wirerscheinen. Du schenkst mir eine bemalte Holzfigur. Jene, die man öffnen kann. Und wiederöffnen. Sie wird immer kleiner, die runde Frau. Matrjoschka, erklärst du mir. Ein Talisman. Mein Glaube an solcherlei Zauberei ist gering, doch halte ich sie behutsam in der Hand. So wertvoll, da durch deine Liebe zu mir geschenkt. „Sshh! Was ist das?!“Konzentriert schaust du in die Ferne. Wie viel Zeit mag vergangen sein? Sind wir zu weit, zu nah am Moor? Entfernte Schreie. Jemand ist auf der Jagd. Und jemand wird gejagt. Panik! Als lautes Lachen durch den Wald schmettert, dass unsere Körper erschaudern. „Lauf, lauf!!! Bevor sie uns auch erspähen!“Du nimmst meine Hand, unsere Körper tragen uns in Windes Eile durch das Dickicht.Wir schauen nicht zurück... was auch immer dort ist, wir schauen nicht zurück .... „Weiter!“Das Labyrinth der Bäume, so undurchsichtig wie der aufziehende Nebel, welcher Raum undZeit verschlingt. Wir rennen... „Dort!“ Eine kleine Hütte, nicht weit entfernt. „So eile!“Ein unvorsichtiger Schritt. Die Wurzel übersehend stürze ich zu Boden.Meine Hände stützen mich, greifend in die Erde. Doch was ist das? Unter Moos, am Baum unweit vor mir... ein... alter... Spiegel. Stehend wäre er mir nie aufgefallen. Noch bevor mir gewahr wird, was ich da tu, betrachte ich mein eigen Spiegelbild. Die Erinnerung schallt mir durch den Kopf... die Legende über alte Spiegel im Wald...Nie hatte ich etwas Glauben geschenkt, das ich nicht mit eigenen Augen gesehen. Man erzählt.... die Spiegel seien verwurzelt … man erzählt, sie seien nicht von dieser Welt...und blickst du hinein... wird zum größten Alptraum das, was du am meisten liebst. Eine Ewigkeit vergeht. Die Zeit steht still, gleich der Unendlichkeit in einem einzigenLidschlag. Unfähig jeglicher Bewegung blicke ich tief hinein. Zu tief.Mich aus meinem Bann reißend greifst du meinen Arm, hilfst mir auf. Der Nebel nimmt unsweiterhin die Sicht. Dein Blick noch voller Sorge. Doch, dann... mit einem Mal... beginnt sich dein Gesicht zu entstellen... einer schaurigen,bedrohlichen Fratze gleich, welche nichts mehr mit jener Vertrautheit gemein hat, die ichsoeben noch kannte! Erschrocken reiße ich mich los, ringe um Luft, stolpere eilig zurückund renne davon. So schnell ich kann. Bestiengleich jagst du mir plötzlich hinterher. Und ich bin … zu langsam...

Reglos starre ich in hohe Baumwipfel. Spitze Tannen ragen hinauf ins dämmerndeFirmament... Von dir keine Spur. Der Nebel verschwunden. Und so lieg' ich still im modrigen Dreck, von Schrecken und Schatten umhüllt.Mein Körper getränkt in warmem Rot, halte ich dein Geschenk fest in der Hand. Meine Sicht verschwommen, mein Atem ganz flach. Und sowie die Dunkelheit mich verschlingt, sehe ich dennoch klar:Weil meine größte Liebe dir galt, wurdest du mir zum Verhängnis... bist du nun meinUntergang.

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